Warum traumatisierte Menschen nicht meditieren können
Für Menschen mit schwerer posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) ist Selbstwahrnehmung oder Meditation ohne spezielle Begleitung nicht (mehr) möglich! Auch dann nicht, wenn sie langjährige Meditationserfahrung haben!
„Setz dich hin und sei mit dem was ist“, das geht rein biologisch nicht, weil die Hirnregionen die für Selbstgewahrsein notwendig sind (Orbitaler und Medialer Präfrontalkortex, Insel, anteriores und posteriores Cingulum), bei traumatisierten Menschen weitgehend abgeschaltet sind. Ein solcher Versuch führt zwangsläufig in die Überflutung oder Dissoziation, was mit Integration und Heilung nichts zu tun hat. Möglicherweise haben solche Menschen bereits einen langen Weg an konventionellen Psychotherapien hinter sich, die nicht geholfen haben. Wenn ich dann noch sage es fehle an Hingabe oder Entschlossenheit kann das reichen um einen völligen Zusammenbruch zu verursachen.
Desweiteren, selbst wenn die viszeralen Eindrücke, also aus dem zentralen Nervenzentrum im Bauch/Beckenbereich über den Hirnstamm, Thalamus bis zur Insel im Kortex durchkommen, wenn es also nicht zur globalen Abspaltung der Körperempfindungen gekommen ist, dann sind diese durch den hohen Erregungspegel so unerträglich, dass es nicht möglich ist damit einfach zu sein. Und selbst wenn sich jemand zwingt damit zu sein, sie also in der Meditation einfach nur wahrzunehmen, gehen sie dadurch nicht weg bzw. es ist langer qualvoller Prozess! Was dann in der Meditation passiert ist, dass man sich bewusst wird, dass die Gedanken nicht aufhören zu rasen, weil der Kortex versucht ein Lösung zu finden. Dies geschieht weil aus Nervensystemsicht der Organismus glaubt in großer Gefahr zu sein.
Und im Shut-Down-Zustand, wo man fast nichts mehr von sich selbst außer den eigenen Gedanken wahrnehmen kann, ist das unaufhörliche Gedankenkreisen die einzige Möglichkeit sich als existent zu erleben!
Was diese Menschen brauchen ist zwingend eine EXTERNE Regulation, ein stabiles Nervensystem im Außen, ein Mensch mit dessen Hilfe Inseln von Stabilität und Organisation im Nervensystem erzeugt werden. Nach und nach, das dauert einige Zeit und geht am besten mit jemandem der dafür ausgebildet ist.
Ab dem Punkt wo der Betroffene die externe Regulation verinnerlicht hat und sich selbst bewusst regulieren kann, sprich aus Hyperarousal und/oder Dissoziation bewusst heraus manövrieren kann, bzw. diese überhaupt erst erkennt, ab diesem Moment kann er beginnen alleine mit Selbstwahrnehmung zu arbeiten. Ob das dann der ideale Weg ist statt in Begleitung ist noch eine andere Frage. Nach und nach muss dann die hohe Erregung aus dem autonomen Teil des Nervensystems gelöst werden. Erst dann ist es möglich, alle höheren Hirnregionen zu aktivieren, die für die Selbstwahrnehmung gebraucht werden.
Was hilft sind z.B. körperorientierte Traumatherapieverfahren wie TRE®, SE, NARM™, SEI, EMDR, TRIMB, usw..
Vielleicht kommt jetzt jemand auf die Idee „ja aber das Zeugenbewusstsein ist doch unabhängig von Körper und Geist, es braucht die oben genannten Hirnregionen nicht, bzw. nicht mal einen Körper.“ Meine Meinung dazu ist, dass es nicht oder kaum möglich ist von einem traumatisierten Zustand in das reine Zeugenbewusstsein zu gelangen. Und selbst wenn das gelingen sollte, ist damit das Leiden im Körper nicht aufgehoben! Insofern reicht zur Orientierung eine ganz einfache Frage:
„Leidest du oder nicht?“. Wenn nicht gibt es kein Problem, wenn doch empfehle ich dir die Bearbeitung auf der Ebene, wo das Leiden tatsächlich ist, statt zu versuchen dem ganzen durch einen Ebenenwechsel zu entkommen.
Trauma erscheint als psychisches Problem, es geht aber um den Körper. Niemand käme auf die Idee einem Verletzten zu sagen: „Fühl da mal rein“ oder „Sei einfach damit“ .