Die Geschichte mit den 2 Bettlern
Ich möchte gerne mit einer weiteren Geschichte, einem weiteren Konstrukt aufräumen, das in der Spiritualität gerne genannt wird, auch von großen, ganz großen Lehrern und was meiner Ansicht nach völlig destruktiv ist und völlig in die Irre führt, vom Weg abbringt:
Und das ist die Geschichte, dass sich 2 Bettler gegenseitig nicht helfen können. Das begegnet mir immer wieder, es wird oft gesagt von Erwachten, dass wir uns nicht gegenseitig helfen könnten, wenn wir nicht erwacht sind oder solange wir nicht erleuchtet sind. Oder dass man nicht helfen kann, solange man nicht erwacht oder erleuchtet ist. Was das ist oder wie das dann beschrieben wird, ist so: wenn sich zwei Menschen einsam fühlen oder wenn sich jemand einsam oder innerlich leer fühlt bzw. leidet und dann versucht über die Beziehung zu einem anderen Menschen aufzufüllen und sich zu stabilisieren/helfen – dann wird gesagt das könne nicht funktionieren, denn wie sollen sich zwei Bettler, die ja nichts haben, wie sollen sich die helfen – und dann wird gesagt, so eine Beziehung endete im Crash und danach ginge es einem noch schlechter.
Also das ist die Geschichte von den zwei Bettlern, die sich ja angeblich nicht helfen können.
Und das halte ich für absolut falsch und für absolut destruktiv und das möchte ich gerne zurechtrücken.
Wenn sich zwei Menschen, egal wie leer, verloren, depressiv, verängstigt, nicht erleuchtet, was auch immer, begegnen und sich ehrlich beginnen auszutauschen, dann sind das nicht mehr nur zwei Bettler, sondern dann kommt was drittes ins Spiel, was von denen, die die Bettlergeschichte verbreiten, nicht gesagt wird:
Bibelzitat: „wenn sich mind. zweie in meinem Namen treffen, bin ich mitten unter ihnen“. Dh da ist etwas Drittes, und das kommt da rein, sobald es eine echte Verbindung gibt, und die findet statt, sobald die Beteiligten beginnen sich ehrlich mitzuteilen. Darum ist die ganze o.g. Bettlergeschichte von vornherein Unsinn. Denn es sind nicht die zwei. Mit dieser Begegnung sind es drei Beteiligte.
Und dieses Dritte kann man auch benennen als Verbundensein, die Regulation der autonomen Nervensysteme, die Erfahrung von Einheit/Verbundensein. Und DAS ist etwas, was uns heilt und nur das heilt, DAS ist die Heilung! Es ist nicht aussichtslos, sondern das ist genau das, was wir brauchen.
Wenn stattdessen erzählt wird, 2 Bettler könnten sich nicht helfen, ist alle Hoffnung verloren, dann kann ich mich auch gleich umbringen. Also diese Geschichte ist maximal destruktiv und sie ist falsch! Sie ist einfach falsch.
Und das kann man neurophysiologisch zeigen: unsere Biologie braucht den sozialen Austausch. wenn da ein anderer Mensch ist und wir uns austauschen, kommts zu einer Regulation im autonomen Nervensystem, der zentrale Vagus springt an, und die zentralen Hirnareale im Cortex, die für Selbstgewahrsam da sind, kommen voll online. Und damit beginnt die ganze Heilung. Und dieser Prozess bis zum Ende durchgeführt, führt zu Meditation, zu Erfahrung von Einheit und Transzendenz. Darin liegt die ganze Hoffnung, die Heilung. Das ist der Anfang des Weges, das ist die Brücke zur Meditation und somit auch das Ende des Weges. Man kann das neurophysiologisch nachweisen, dass das so funktioniert
Jeder kennt die Erfahrung, dass wenn sich zwei verlorene Menschen ehrlich mitteilen, wie es ihnen geht, gehts ihnen sofort besser. Das nennt man externe Regulation in der Traumatherapie. Regulation mit einem externen Objekt. Natürlich hat ein Traumatherapeut noch mehr Methoden in petto, da geht das noch effizienter. Aber im Kern ist das immer dasselbe: solange wir verloren sind, brauchen wir externe Regulation, wir können uns gar nicht selbst isoliert regulieren, das geht nicht von unsrer Biologie her.
Zum Beispiel setzt sich auch ein Baby nicht nach der Geburt in den Lotussitz und meditiert, ja, was macht ein Säugling: er s stürzt sich auf die Mutter und hält sich im Außen erstmal an ihr fest. Das ist eben der Punkt: es kommt ZUERST zu einer Zuwendung zu einem externen Objekt und die Sicherheit dadurch und dort führt dazu, dass der Säugling sich beruhigt. Und auch langfristig gesehen die Entwicklung, dass ein Kind nach und nach in die Selbstwahrnehmung hinein wächst, geht nur, wenn es erstmal Stabilität durch äußere Bezugspersonen und sichere Bindungen erfahren hat.
Das ist die Ausgangsposition – es geht ERST um das äußere Objekt, zuerst die externe Regulation, und das führt dazu dass ich dann auch immer mehr in mir ruhen kann. Und das ist auch der Weg der Traumaheilung. Diese holt nur nach, was in den ersten Lebensjahren hätte stattfinden müssen. Das ist genau dasselbe. Zuerst externe Regulation, Erschaffung von Stabilitätspunkten im Nervensystem, Vernetzung und dann immer mehr Selbstgewahrsein. Das heißt nicht, dass ich dann die Verbindung nicht mehr brauche und nur noch meditiere. Nein, das verstärkt sich gegenseitig: je mehr ich in mir ruhen kann, desto mehr kann ich mit Menschen in Verbindung sein – und je mehr ich in Verbindung sein kann, desto besser und leichter kann ich meditieren. Und zum Schluss verschmilzt das in eins, da bin ich hier jetzt in diesem Moment wach, gleichzeitig mit mir und den Menschen und der Welt verbunden.
Darum ist die Bettlergeschichte absoluter Blödsinn und destruktiv. Wenn jemand einem diese erzählt, dann verweise auf die Polyvagaltheorie (Dr. Steven Porches, USA) verweisen, da ist obiges im Detail beschrieben und nachgewiesen.
Also lasst euch keinen Blödsinn erzählen und damit die Hoffnung auf Heilung nicht kaputtmachen! Diese Hoffnung auf Heilung, Transzendenz, Verbundensein ist berechtigt! Und wir werden nur in die Irre geführt, denn in Wirklichkeit ist es so einfach, dass wir da hin kommen. Nur diese Gesellschaft lenkt uns ständig davon ab, mit Konsum, mit Medien. Es gibt ja keine Strukturen dafür. Es gibt keine Fernsehsendung, die wir jeden Abend einschalten können und wo wir gezeigt bekommen, wie wir uns verbinden, wie wir Partnerschaftsprobleme lösen – nein wir bekommen um acht Uhr Abfall präsentiert. Was uns immer weiter trennt. Ich bin für eine Fernsehsendung – da würde ich mitmachen – wo man zeigt, wie man sich verbindet, wo man Beziehungsprobleme löst, wie man Aktivierungen auflöst, so die Basics des sozialen Umgangs. Sowas fände ich cool. Aber vielleicht geht das nur mit privaten Sendern. Oder über völlig neue Fernsehkanäle und nicht über die Mainstream-Medien, die haben daran ja gar kein Interesse. Das wäre ja noch schöner, wenn wir uns einfach selber heilen und regulieren könnten. Wo kämen wir denn da hin? Es würde dann ja keiner mehr konsumieren. Es würde vielleicht auch keiner mehr wählen gehen. Die Menschen würden anfangen, sich miteinander zu beschäftigen und hätten an allem anderen nicht mehr so viel Interesse.
Die Geschichte mit den 2 Bettlern ist wie unsere Geschichte: wir sind verloren und suchen nach Verbindung. Wenn wir ehrlich aufeinander zugehen und anfangen uns mitzuteilen, kommt es zur Heilung. Das heißt, im Bild der Bettler würde das bedeuten, dass sich die Menschen gegenseitig sagen: „du, ich fühl mich total leer, ich brauche/suche Hilfe.“. Allein dieser Austausch, in beiden Richtungen ändert schon die Energie, schon beruhigt sich was in den Nervensystemen, so einfach ist das.