Wie man Konflikte sofort auflöst
Wenn zwei Partner wirklich Interesse haben ihre Beziehung und das, was da nicht gut läuft, zu lösen, wenn das wirklich eine ehrliche Absicht ist, dann gibt es da einen ganz einfachen Weg. Und dieser Weg ist das, was das autonome Nervensystem vorgibt wie in der Ployvagaltheorie beschrieben von Dr. Stephen Porges.
In Beziehungen brauchen wir uns jetzt über die guten Zustände nicht unterhalten. Da brauchen wir ja nichts machen, sondern was ich betonen möchte ist, wenn es nicht gut läuft, was das ist und wie man da sofort aussteigen kann.
Was geschieht bei einem Konflikt im Nervensystem
Zuerst geht es darum zu begreifen und zu wissen, was da passiert. Wenn es also zu Konflikten oder Problemen kommt, dann hat das immer körperliche Ursachen. Jeder Konflikt, jeder Moment, der sich nicht gut anfühlt bedeutet immer, dass die beteiligten Körper und eben das autonome Nervensystem davon in einen Defensivkreislauf geht, weil sich das autonome Nervensystem bedroht fühlt. Das kann völlig unbewusst ablaufen, ohne das ich das selber verstehe. Das passiert im Körper. Deshalb heißt es ja auch autonomes Nervensystem, weil ich da keinen willentlichen Zugriff drauf habe.
Wenn also dieser Teil des Nervensystems die Situation als gefährlich einschätzt, dann schaltet der runter, und zwar von dem Modus ‚Sicherheit und soziale Interaktion‘ zu der ersten Abstufung ‚Kampf oder Flucht‘. Und an der Stelle haben wir schon das Problem, dass wenn ein Nervensystem davon in diesem Zustand ist, dann triggert das bei dem Andern ebenfalls einen Defensivkreislauf, weil das ist ja bedrohlich. Und mit diesem Runterschalten in Richtung ‚Kampf und Flucht‘ ist einfach sehr viel verbunden, zum Beispiel, dass das soziale Interaktionssystem weniger bis gar nicht mehr zur Verfügung steht, das die ganze Wahrnehmung sich anders verhält, das die kortikalen Funktionen nicht mehr voll da sind. Das heißt, wir werden unbewusster und bewegen uns mehr in Richtung einer animalischen Ebene.
Das Blöde dabei ist, dass sich das selbst verstärkt, also wenn der Eine in einem Defensivkreislauf ist, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass der Andere da auch reinspringt und dann geht das sozusagen immer weiter abwärts in der Hierarchie, weil die Nervensysteme sich gegenseitig Gefahr signalisieren. Da geht es immer um Lebensgefahr letztlich, auch wenn es vom Verstand her so nicht ist oder offensichtlich ist, aber für das autonome Nervensystem ist es so und deswegen fährt dieser Kreislauf hoch. Wir befinden uns in einer kriegerischen Auseinandersetzung, wo es gar nicht um die äußeren Themen geht, sondern es geht darum, dass sich die Köper bedroht fühlen. Das wiederum hat Ursachen in der Kinderheit, warum die sich dann in diesen Konstellationen bedroht fühlen. Aber da möchte ich jetzt nicht drauf eingehen. Das ist auch nicht relevant um da herauszukommen. Es ist einfach wichtig zu wissen, zu verstehen und zu sehen, was da läuft.
Zwei Ebenen sind zu unterscheiden
Das heißt, die erste Ebene oder der erste Defensivkreislauf ist ‚Kampf oder Flucht‘ und das zeigt sich in der Beziehung entsprechend mit Auseinandersetzung oder mit Weggehen und Rausgehen, also physisch die Situation verlassen, sich einen anderen Partner suchen, das woanders hinkanalisieren, was da nicht gelöst wurde oder eben Angriff, Vorwürfe und kriegerische Auseinandersetzungen. Das ist die Ebene von ‚Kampf und Flucht‘. Das ist reine Biologie. Das ist nichts Psychologisches. Das wirkt sich psychologisch aus, aber der Vorgang selber ist reine Biologie. Wenn das nirgendswo hinführt, kommt irgendwann die Aufgabe, das heißt der ‚Shutdown‘, Totstellen, Aufgeben, nichts mehr tun. Das heißt jemand oder beide hören auf, sich auseinanderzusetzen und gehen aber auch nicht raus, sie machen nichts mehr, sie geben auf. Sie leben dann so tot nebeneinander her. Das ist die letzte Stufe der Abschaltung und wiederum ist es reine Biologie.
Wir haben es also tatsächlich nur mit zwei Zuständen zu tun, die Probleme machen. Und zwar zwei Zustände des autonomen Nervensystems: Das ist die ‚Kampf-/Fluchtaktivierung‘ und das ist der ‚Shutdown‘- das Aufgeben. Und das ist die körperliche Basis aller Beziehungsprobleme. Es gibt sonst keine. Auswirkungen auf der sichtbaren Ebene haben wir drei: Flucht, Kampf und Totstellen. Das sind nur drei. Es ist nicht mehr, es ist auch nicht kompliziert. Es sind nur drei Zustände. Immer wenn wir leiden, sind wir in einem von diesen drei Zuständen. Das heißt, ich kann einmal bei mir selber wahrnehmen, wo ich bin. Befinde ich mich gerade mit Vorwürfen und kriegerischen Auseinandersetzungen in dem Kampfmodus oder bin ich dabei rauszugehen, am Fliehen oder hab ich schon aufgegeben und mir ist alles egal?
Die Lösung von Konflikten
Wenn ich das bei mir festgestellt hab und bei dem Anderen, dann kann ich gucken, wie ich da rauskomme. Und rauskommen tun wir immer gemeinsam indem wir uns gegenseitig Sicherheit vermitteln, und zwar wiederum dem autonomen Nervensystem. Sicherheit vermitteln wir uns, indem wir unsere Absicht bekunden, dass wir uns verbinden möchten. Das ist der Schlüssel dazu. Ich signalisiere dem Sytsme meines Partners Sicherheit dadurch, dass ich ihm vermittle, dass ich mich verbinden möchte. Das heißt, ich teile meinen Zustand mit. Statt das auszuagieren mit Vorwürfen oder was auch immer, teile ich das mit: “Ich bin gerade aggressiv. Ich befinde mich gerade im Kampf-/Fluchtmodus.” Und der Andere macht das auch, wenn er so bewusst ist. Mit diesem Mitteilen und mit dem Bekunden, dass ich mich ja verbinden möchte, ist das entkoppelt und die Nervensysteme kommen in den Zustand von Sicherhheit zurück, sie verlassen diese Defensivkreisläufe, kehren in den Zustand von ’sozialer Interaktion und Wohlfühlen‘ zurück und dann geht der Austausch ganz normal weiter.
Wenn man da wieder rausfällt, einfach wissen: Das, was da läuft, sind zwei Systeme, die in Defensivkreisläufen festhängen und es geht einfach darum, sich das gegenseitig mitzuteilen und zu sagen: “Eigentlich hilft das doch gar nicht. Eigentlich möchte ich mich austauschen.” Es wäre ja schön, wenn man sowas in der Schule lernt oder wenn man diese wichtigen Sachen einfach mal beigebracht bekommt und nicht irgendwelchen anderen Unsinn, den man nie mehr im Leben braucht. Das wären so Basics des Lebens: Wie identifiziere ich den Zustand der autonomen Nervensysteme in Beziehungen und bei mir selber und wie verlasse ich die Zustände? Wäre mal hilfreich, sowas beigebracht zu bekommen. Und zwar gleich im Aufwachsen: Wenn die Kinder aufwachsen, dass das automatisiert wird. Das sich Menschen, die da drin sind, im System gelernt haben, das sofort zu verlassen. Da hätten wir eine komplett andere Welt, da hätten wir eine friedliche Welt. Aber wir lernen ja, uns gegenseitig zu bekriegen und Konkurrenzkampf – könnt ich ausrasten. Komm ich fast selber in die Aktivierung jetzt rein, das macht wütend, das alles zu sehen, was hier abgeht.
Defensivkreisläufe verstärken sich gegenseitig
Diese Defensivkreisläufe sind leider auch gegenseitig verstärkend, das heißt, wenn einer da drin ist, ist der andere auch schnell da drin und dann schaukelt sich das hoch in immer mehr Abwehr und Kampf- und Gefahrenmodus. Und in der anderen Richtung verstärkt sich das aber auch positiv. Das Einzige, was wir brauchen ist die Bewusstheit darüber und das bewusste Aussteigen, weil wir jetzt wissen wie das geht und warum wir da drin sind. Das ist alles komplett erforscht und das ist nichts Kompliziertes, Psychologisches. Das ist ganz einfache Biologie und du kannst es ausprobieren. Den nächsten Menschen, den du vor dir hast, guck dir einfach an, in welchem Zustand der ist: Soziale Interaktion, Kämpfen/Fliehen oder Totstellen.
Das kannst du sofort sehen, da brauchst du nicht lange. Probier das mal aus, wenn jemand in so einem Defensivkreislauf ist, gegen deine Reaktion, weil deine Biologie möchte ebenfalls in den Kampf einsteigen, aber wenn du da mal probierst gegen diesen Impuls die Person zu erreichen, da wirst du sehen, dass es sofort zu Ende ist bei den meisten. Da sind beide wieder sofort auf der Ebene von sozialer Interaktion und Sicherheit, es ist so einfach. Das heißt, wir brauchen keine megakomplexen Systeme. Können wir natürlich benutzen, Enneagram und so weiter. Aber aus Sicht der Biologie ist es sehr simpel und es reicht um schlimme Zustände und Beziehungen und Konflikte zu beenden. Mit dem Wissen kann man die sofort beenden. Man braucht nur ein bischen Bewusstheit da mit drinnen, nur eine kleine Änderung an das, was ich gesagt hab. Und sofort kann man sich da gemeinsam hinausmanövrieren. Es reicht, wenn einer die Erinnerung behält mitten da drin. Es reicht aus, um beide da rauszuholen. Wir schaffen es, Atomkraftwerke zu bauen, Raketen ins All zu schicken, aber wir haben keine Routine damit, Beziehungen zu gestalten. Das ist doch irgendwie merkwürdig.