Die wahren Hintergründe der 🌲🌳 Umweltzerstörung
Sind wir alle traumatisiert? Wir können uns diese entscheidende Frage leicht beantworten, in dem wir nach draußen schauen und die Welt betrachten, die wir erschaffen haben und ständig neu erschaffen. Ich meine damit nicht die Natur, sondern die Gesellschaft der Menschen, ihr Verhalten selbst und anderen gegenüber. Wenn wir ganz neutral und ehrlich sind und genau hinschauen, müssen wir zugeben, dass wir in einem Alptraum leben: Krankheiten, Gewalt, Krieg, Verwahrlosung, Konsum und Umweltzerstörung sind die Folgen von etwas anderem, als uns die Massenmedien vermitteln. Wir können all dies letztlich auf eine einzige Ursache zurückführen, nämlich unzureichende Beziehungs- und Kontaktfähigkeit untereinander. Davon wiederum ist die Ursache das, was man in der Fachsprache Entwicklungs- oder Bindungstrauma nennt. Dadurch entsteht im Körper eine große Not und in der Folge körperliche, psychische und schließlich gesellschaftliche Probleme. Die Ursache der Umweltzerstörung, als Beispiel, hat also nur sekundär mit äußeren Vorgängen zu tun. In Wirklichkeit spiegelt sie uns die innere, emotionale Verwahrlosung wieder, was nichts anderes ist, als die fehlende Kapazität gesunde Beziehungen zu (er)leben. Insofern sage ich, wie viele andere Experten auf diesem Gebiet auch, wir sind mehr oder weniger alle traumatisiert. Wir leben in einer Gesellschaft, die aus entwicklungs-traumatisierten Menschen besteht.
Es geht dabei aber nicht so sehr um ein einziges schockartiges Erlebnis, was man gemeinhin unter Trauma versteht. Die meisten Erwachsenen leiden vielmehr unter den Folgen von destruktiven Beziehungsmustern, die sie in der Kindheit entwickelt haben, als Notlösung, um die unzureichende Beziehungsfähigkeit der Eltern zu überleben. Entwicklungstrauma ist das Schlüsselwort, wohin der Fokus der Gesellschaft gehen muss. Erst wenn die Gesellschaft als Ganzes sich mit diesem Thema überhaupt beschäftigen will, wenn sie sich getraut, dorthin zu schauen, was zwischen uns Menschen im Kontakt geschieht, gibt es Hoffnung auf eine grundlegende Änderung unserer persönlichen Situation und damit auch der Gesellschaft als Ganzes.
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Es ist wichtig, dass wir zu einer Beschreibung und Erklärung was Trauma eigentlich ist, kommen, die jeder verstehen und nachvollziehen kann. Denn nur so können wir diese Zusammenhänge in den Fokus des gesellschaftlichen Bewusstseins bringen. Eine einfache Darstellung des Unterschiedes zwischen beiden Traumavarianten:
Ein Schocktrauma kann durch ein einziges katastrophales Erlebnis ausgelöst werden. Beispiel: jemand hat einen Autounfall und ist im brennenden Auto eingeklemmt.
Entwicklungstrauma hingegen kann durch andauernde enttäuschende bis katastrophale Erfahrungen im Kontakt mit den Eltern entstehen. Beispiel: Ein Kind wird in den ersten Lebensjahren emotional so schwer vernachlässigt oder misshandelt, dass es als Erwachsener bei jedem näheren Kontakt zu einem anderen Menschen starke Angstzustände erlebt.
Nun sind die Dinge im Detail natürlich weitaus komplizierter. Ein Entwicklungs-trauma kann z.B. auch durch ein oder mehrere Schocktraumata in der Kindheit entstehen, auch wenn die Eltern eine hohe Beziehungsfähigkeit haben. Ein Beispiel: Wenn das Kind außerhalb des Elternhauses eine traumatisierende Erfahrung macht, diese Erfahrung nicht verarbeitet wurde und sich völlig verschließt. Auch kann man den Eltern nicht grundsätzlich die ganze Last und Schuld von Entwicklungstrauma aufbürden, denn ein Großteil der Umstände sind gesellschaftlicher Natur. Das geht bis hin zu struktureller Gewalt z.B. durch das Schulsystem, welche sich katastrophal auf die Kinder auswirkt.
Zusammengefasst möchte ich noch einmal betonen, dass die Problematik der Menschen fast ausschließlich durch Entwicklungstrauma bedingt ist. Und das bedeutet wie gesagt, dass die Fähigkeit zu Nähe und Kontakt heute als Erwachsener zu wenig vorhanden ist und so die Not aus der Kindheit in jeder Sekunde neu inszeniert wird.
Wichtig dazu ist noch zu wissen, dass Trauma nicht das Ereignis selbst ist. Trauma kann in Folge eines Schockerlebnisses oder schlimmer Bindungs-erfahrungen in der Kindheit entstehen, muss aber nicht. Wenn man von Trauma spricht, sind damit nicht äußere Umstände oder Erlebnisse gemeint, sondern eine mögliche Reaktion des Körpers und in der Folge der Psyche, die zu starkem Leiden führt und die nicht von alleine wieder vergeht, sondern Hilfe von außen braucht. Es gibt Menschen die schlimmste Erfahrungen überstehen, ohne ein Trauma zu entwickeln. All dies zu erklären würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.
Merke: Trauma ist eine (mögliche) Körperreaktion auf ein Ereignis, nicht das Ereignis selbst!
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Eine Notlösung ist der Umgang mit einem grundsätzlich unlösbaren Problem in der Kindheit. Die Begegnung mit einem wenig bindungsfähigen Umfeld (Eltern) erzeugt großen Stress im Körper, Angst, Unsicherheit, Irritation oder gar Entsetzen oder körperliche Schmerzen. Wir sind als Kinder jedoch, was unser physisches Überleben angeht, vollkommen abhängig von unseren Eltern. Wir können uns weder wehren, weil wir körperlich unterlegen sind, noch können wir woanders hingehen. Wir brauchen also zwingend die Nähe und Versorgung von singulären Menschen. Diese sind für uns als Kind nicht austauschbar. Wenn aber die Menschen, die wir brauchen gleichzeitig Leiden verursachen, befinden wir uns bzw. unser Körper in einem unlösbaren Dilemma, was wir dann zeitlebens versuchen zu lösen, aber nie lösen können und nie lösen werden, weil es auf dieser Ebene gar keine Lösung gibt.
Als Analogie: wenn ich am verdursten bin, man mir aber nur vergiftetes Wasser anbietet, was mich tötet, gibt es keine Lösung. Ich werde bis zum Tod hin- und herpendeln zwischen „soll ich trinken oder lieber nicht?“ Und genau das machen Menschen in der Folge von Entwicklungstrauma: sie pendeln zwischen „soll ich auf Menschen zugehen oder mich zurückziehen?“ hin- und her. Nur dieses Hin- und Herpendeln zwischen Kontakt-/Beziehungsversuchen und Rückzug, hält sie in der Hoffnung, dass es doch irgendwann eine Lösung geben wird, mehr oder weniger stabil.
Um wieder ein konkretes Beispiel zu nennen: Nehmen wir einmal an, ein Kind wächst bei Eltern auf, die aggressiv und gewalttätig sind. Das Kind braucht aber um sich entwickeln zu können einen liebevollen Kontakt, Sicherheit und Vertrauen. Eine mögliche Notlösung ist: das Kind unterdrückt in sich selbst alle aggressiven und eigenständigen Impulse und deren Ausdruck und versucht die Eltern zu besänftigen (Stichwort „Fawning“). Wenn dies halbwegs gelingt, dann reduziert das Kind erfolgreich die Gewalt, die auf es einwirkt und kann sich so etwas sicherer fühlen. Dies wird in der Folge zur unhinterfragten unbewussten Grundlage seines ganzen zukünftigen Lebens, ja seines (angeblichen) Lebenssinns: Leben, Beziehung und Liebe ist (angeblich!) das Besänftigen aggressiver gewalttätiger Menschen. Das Problem dabei: dieser Mechanismus hat dem Kind zwar geholfen, seine Kindheit zu überleben, führt jedoch als Erwachsener zum immer gleichen Drama. Denn was passiert, wenn man nach einer solchen unbewussten Grundüberzeugung lebt? Man sucht sich unbewusst aggressive Täter z.B. als Partner, um sie zu beruhigen und wird wieder und wieder Opfer von Gewalt. Wenn das Besänftigen mal punktuell funktioniert, wird dies als zutiefst richtig und erfüllend erlebt, was es aber nicht ist, weil es keinen Kontakt hergestellt, sondern eine Gefahr reduziert hat. Nähe und Beziehung hat aber nichts mit Überlebenskampf oder Gefahrenreduktion zu tun.
Das ist mit Notlösung gemeint: destruktive, unbewusste und leidbringende Beziehungsmuster, die mir als Kind das Überleben ermöglicht haben, jedoch eigentlich gar nichts mit Nähe, Beziehung und Kontakt zu tun haben. Auf die eigentliche Lösung kann der Betroffene selbst nicht kommen, da sie außerhalb seines geistigen und physiologischen Kontextes liegt.
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Wenn das Leiden heute wirklich kausal durch die Vergangenheit verursacht würde, gäbe es gar keine Heilung, weil wir die Vergangenheit ja nicht ändern können.
Die Lösung ist, dass der Betroffene heute in Kontakt tritt. Etwas, was er gar nicht kennt, ja sich nicht einmal vorzustellen vermag. Er braucht also Hilfe von außen, zunächst durch Wissen, wie durch das Lesen dieses Artikels, worum es eigentlich geht. Dann braucht er die konkrete Erfahrung davon, dass Kontakt sicher sein kann, dass dabei seine Bedürfnisse nach Nähe und Autonomie genährt werden. Und dies geschieht im Gegensatz zur Notlösung nicht durch Handlung (Beispiel besänftigen oder trennen), sondern durch Kommunikation, Mitteilen dessen was da ist, z.B. gemäß dem „Ehrlichen Mitteilen“. Kommunikation hat nichts mit Handlungsstrategien, Wegen oder Zielen zu tun, sondern mit Informations- und Energiefluss. Und sobald man beginnt, statt zu versuchen eine Lösung zu finden, die es ohnehin nicht gibt, sich austauschen, sich mitzuteilen, in Kontakt zu treten, stellt man sehr schnell fest, dass etwas grundlegend anderes geschieht. Erst dann kann man überhaupt unterscheiden, welche Menschen für einen schädlich sind und welche nicht. Dass es beziehungsfähige Menschen gibt, die Gefühle und Bedürfnisse achten und sich austauschen können, kann sich ein traumatisierter Mensch zunächst gar nicht vorstellen. Und wenn er es hört, kann er es nicht glauben, er braucht die direkte Erfahrung davon und das passiert in jeder guten Traumatherapie. Sobald der Klient erfährt, dass ein Gegenüber z.B. über seine eigene innere Wut und Aggression sprechen kann, statt sie gegen den Klienten in Form von Gewalt auszuagieren, kommt es zu einer fundamental neuen Erfahrung. Dieses Neue ist für Betroffene so befreiend und beglückend, so unvorstellbar, dass sie jedes Mal ihre völlige Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen.
Merke: was ich mitteilen kann, muss ich nicht mehr ausagieren.
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Der Vagusnerv ist der Schlüssel auf Körperebene zur Heilung und Transformation, ja sogar zur Spiritualität und Meditation. Jedoch geht es darum, diesen indirekt zu aktivieren, weil wir sonst auf Symptomebene arbeiten und nicht an der Ursache. Wenn wir z.B. Vagusübungen machen (so gut diese ja tatsächlich sind) befinden wir uns auf Symptomebene und haben das eigentliche Problem nicht verstanden. Die Ursache sind leidbringende, trennende Beziehungsmuster im Kopf, im Mentalen. Der Körper reagiert heute als Erwachsener nicht auf die Umwelt wie sie ist, sondern auf die Umwelt wie wir sie auf Grund dieser Beziehungsmuster projizieren. Wenn mir ein Mensch näher kommt, erlebe ich ihn nicht so, wie er real ist, sondern gemäß dem, was ich unbewusst erwarte: dass er mich angreifen, mich verlassen, dass er erstarren, sich betäuben oder mich manupulieren wird.
Durch dieses Nichtverbundensein jetzt was im Kopf erzeugt wird, entsteht die Not im Körper, was dazu führt, dass der Körper sich für die Abwendung von Gefahr bereit macht, statt für soziale Interaktion. Für soziale Interaktion, Regeneration, Wohlfühlen und Heilung wird aber ein aktivierter Vagusnerv gebraucht. Also setzen wir da an, wo auch die Ursache ist und unser Körper wird es mit tiefer Entspannung, Zufriedenheit im Geist und Wohlgefühl, sprich aktiviertem Vagusnerv danken.
Der Vagus-Schlüssel bedeutet, die Gefahrenprojektion im Kopf durch Kontakt und Kommunikation mit der Realität abzugleichen. Komme ich dadurch zu der Einschätzung, dass mein Gegenüber keine Bedrohung darstellt, kann sich der Körper entspannen und sich auf Kontakt und Beziehung einlassen. Komme ich zu dem Ergebnis, dass es tatsächlich gefährlich ist, dann macht mich der Körper (zu Recht!) für Kampf oder Flucht bereit.
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Der Vagusnerv ist der 10. Hirnnerv (entspringt im Gehirn) und der größte Nerv im parasymphatischen Nervensystem. Sein Name bedeutet „der wandernde Nerv“ weil er ein großes Verbreitungsgebiet im Körper hat. Er ist wesentlich für die neuronale Verbindung zwischen Herz und Gehirn, sowie zwischen den Organen im Bauchraum und dem Gehirn.
Der Vagus kann sowohl nur in Ruhe, als auch bei körperlicher Aktivität wie Singen, Spielen, Tanzen oder Lachen aktiv sein. Es entsteht dabei ein tiefes körperliches und seelisches Wohlgefühl sowie geistige Ruhe. Wir haben das Gefühl, dass das Leben wundervoll, sinnhaftig und die Welt in Ordnung ist. Es handelt sich dabei aber nicht um eine rosaroter Brille, sondern wir sehen die Welt und uns realistisch. Die Sicht ist nicht durch Stress im Nervensystem vernebelt oder verzerrt. Wir erleben uns als total handlungs- und gestaltungsfähig, statt ohnmächtig und ausgeliefert. Kontakt und Beziehungsvertiefung erfahren wir als nährend und als zentrales Element in unserem Leben, statt als Bedrohung. Unsere Achtsamkeit ist hoch, wir leben aktiver und bewusster.
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Ehrliches Mitteilen ist die Methode, die ich entwickelt habe und die uns ermöglicht den Vagusnerv auf die zuvor beschriebene Weise zu aktivieren.
Zunächst ist es erforderlich wirklich zu verstehen, wie das „Ehrliche Mitteilen“ funktioniert. Nur durch dieses Verständnis ist es möglich, dass wir es korrekt anwenden können. Sonst wird der Austausch durch das alte Schutzsystem (die Notlösung) torpediert. Es hat nichts damit zu tun, irgendwie irgend etwas ehrlich zu sagen, sondern es handelt sich um eine einfache aber sehr präzise Anleitung, wie wir sprechen, nicht was wir inhaltlich sagen. Dabei werden die drei inneren Erlebnisebenen (Gefühle, Körperempfindungen und Gedanken) getrennt voneinander mitgeteilt. Sinn des Ganzen ist es, uns von der Identifikation mit dem was wir innerlich erleben und als wahr nach außen projizieren, zu lösen. Es muss sich gar nichts ändern, es geht nur darum zu lernen, das was da ist, in der Form des „Ehrlichen Mitteilens“ zu kommunizieren! Ein Beispiel wie das konkret aussehen kann:
„Ich fühle Freude.“
„Ich spüre Anspannung im Bauch.“
„Mein Kopf denkt, dass ich ganz ok bin.“
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Gopal Norbert Klein, Der Vagus-Schlüssel zur Traumaheilung, Gräfe und Unzer
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