Zuhören ist Heilig
Es gibt eine Kunst, die wir völlig vergessen haben. Und das ist die Kunst des Zuhörens. Lauschen. Und zwar jemand anderem. Dieser Vorgang, der hat viel, viel tiefergehende Bedeutung und Dimension als wir uns bewusst sind. Im Alltag sagen wir zuhören, wir sagen vielleicht lauschen. Und da scheint keine Tiefe drin zu sein, das klingt fast belanglos. In unserer Wahrnehmung ist das belanglos. Zuhören, naja – sowas wie Kartoffeln schälen. Aber in Wirklichkeit ist dieser Vorgang was Heiliges. Zuhören ist, wenn man wirklich zuhört, das ist ein heiliger Vorgang. Das ist tatsächlich Liebe. Das ist unendlich tief. Zuhören, jemandem wirklich zuhören, ist unendlich tief. Da gibts kein Ende. Kein Boden. Und in der Gesellschaft heute hat das keine Bedeutung mehr oder kaum noch Bedeutung. Und deswegen möchte ich das gerne wiederbeleben. Warum nicht zuhören genauso ausbauen, genau soviel Beachtung schenken wie irgendwelchen Ego-Sachen? Wie z.B. Rhetorik? das ist so das Gegenteil. Das wird gespeist von ja animalischen Ebenen, wo es mehr um Kampft/Flucht-Kreisläufe geht. Da ist viel Aufmerksamkeit. Da wird sogar Geld mit verdient. Aber ich glaub ich hab noch nie nen Kurs gesehen, der einfach heißt: Zuhören lernen. Ich glaub sowas gibts nicht, würde wahrscheinlich auch keiner hingehen (lacht).
Aber dieser Vorgang ist unendlich faszinierend, wenn man da beginnt zu forschen. Z.B. ist es auch etwas, das sehr viel Macht hat. Wenn man wirklich zuhört, ist das etwas, das sehr mächtig ist. Und man kann das Ego da nicht wirklich mitnehmen. Denn wenn ich zuhöre, dann kann ich nicht da sein. Jedenfalls nicht als dieses getrennte Etwas, das ständig im Hintergrund wartet, endlich seine Sachen sagen zu können – endlich, endlich, endlich, dass mir endlich jemand zuhört. Weil vielleicht ist das so, dass wir nur zuhören um die Gelegenheit nicht zu verpassen, selber unsere Sachen zu sagen. Damit endlich ICH die Aufmerksamkeit bekomme. D.h. wenn du wirklich zuhörst, dann mußt du diesen Teil zurücklassen. Und dich dem hingeben, was da ist. Das ist wie so eine Erfüllung. Und das ist eher was Stilles. (…)
Dieses Stille ist das, worum es immer geht. Zuhören ist auch nur wiederum ein Weg dorthin. Meditation ist ein anderer Weg. Es führt immer zum Selben. Und die Einladung ist, das mehr in den Mittelpunkt zu stellen. Wenn du also diesen Teil, diesen bedürftigen Teil, der anspringt immer im Kontakt und Dialog, den kannst du ja beobachten. Immer wenn du in einem Dialog bist, ist etwas da, das was haben will. Und das ist letztlich Aufmerksamkeit, Energie. Wenn du also experimentieren willst, und diesen Energiekrieg vielleicht beenden möchtest, weil du darauf keine Lust mehr hast, weil sich das auch nicht gut anfühlt, dann probier mal was völlig Neues, als Experiment:
Konzentriere dich über längere Zeit darauf, statt was haben zu wollen, auf das Zuhören, reines Zuhören. (…) Und stell das eine Zeit lang in den Mittelpunkt. Und dann beobachte, was passiert. Beobachte, was mit dir passiert, was mit dem anderen passiert, was zwischen euch passiert. Wie die Begegnung sich gestaltet, sich verändert. Und finde mal heraus ob du wirklich zu kurz kommst letztlich.
Wenn du das wirklich für ne längere Zeit machst, schau mal, ob du dabei wirklich verloren gehst, ob du zu kurz kommst. Als Forschungsexperiment.
(…) wichtig ist noch, dass das echte Zuhören etwas ist, was nicht bedeutet, die Aufmerksam völlig in den anderen zu verlagern und sich darin zu verlieren. Und es ist auch nichts, was bedeutet, hinter einem abgeschlossenen Elfenbeinturm von oben so ein bisschen drüber zu linsen. Das bedeutet das beides nicht. Echtes Zuhören bedeutet, dass der Raum für dich UND für den anderen da ist. Dass ihr beide gleichzeitig in der Wahrnehmung seid. Also es geht darum weder dich selbst zu verlieren noch sozusagen sich zu verschanzen. D.h. du nimmst dabei dich wahr UND den anderen. Und die Aufmerksamkeit ist aber bei dem, was da passiert, ohne dass du dich aktiv dort einbringst.
Und was Zuhören eigentlich ist, ist dein Sein. Das Wort passt eigentlich nicht so ganz. Lauschen ist vielleicht besser. Oder sich-öffnen. Es ist ein bewusst werden in allen Hauptzentren. Und es ist nicht so ein aggressives fokussieren und es ist auch kein sich vom Herz öffnen und in Emotionen verlieren, sondern das ist wo das beides zusammenkommen. Wo die Mentalität, das Herz und die Wahrnehmung für den Körper, wo die Eins werden. Und In diesem Raum / Oder wenn man diesen Raum jemand anderem schenkt, dann verändert sich so einiges :)
Und vielleicht schauen wir wie wir das wieder mehr fördern können. Das es wieder ein Wert wird, wirklich was Wertvolles, dass wir das als was ganz ganz ganz Wertvolles erkennen, was es ja auch ist, etwas Heilsames. Etwas Wichtiges. Und es ist wirklich eine Kunst. Da kann man ja / Das kann man Jahre und Jahre üben und das geht immer weiter. Da gibts kein Ende. Und wenn das Zuhören total wird, 100%, dann ist es für den anderen nicht mehr möglich, Gedanken zu bewegen. Dann ist er automatisch auch da drin. Insofern ist es sehr mächtig. Und das ist vielleicht auch was schönes zu hören für all die Sensitiven Menschen, die nicht in diesem aggressiven Kriegsspiel mitspielen oder da nicht so erfolgreich sind.
Man kann auch sagen, totales Zuhören löst das Ego des andern auf und das eigene auch. Insofern ist es wie gesagt, sehr mächtig.