Was ist EM Bypassing?
Wenn ich Ehrliches Mitteilen als Konzept/Strategie missbrauche, um einen inneren oder äußeren Zustand herzustellen, der jetzt nicht vorhanden ist oder, um etwas in mir oder außerhalb von mir fernzuhalten was da ist, dann handelt es sich nicht um EM, sondern um eine Handlungsstrategie.
Die Idee von Ehrlichem Mitteilen kann man dazu missbrauchen, den wirklichen Kontakt zu verhindern! Allerdings nur, wenn man vom tatsächlichen Ehrlichen Mitteilen abweicht, durch „machen“ in irgendeiner Form. Sobald ich etwas „tue“ teile ich nicht mehr mit, was jetzt in mir ist. Mitteilen hat nichts mit machen zu tun.
Verschmelzungstyp: Das am tiefsten verdrängte Gefühl ist hier Wut und Hass. Daher besteht die Tendenz bei unbewussten Menschen dieses Typs, EM als Konzept zu missbrauchen, um einen Pseudokontakt herzustellen, damit diese Gefühle nicht aufsteigen. Es wird versucht mit Hilfe der Idee von EM eine verzerrte Form von Nähe und Verbindung zu realisieren, was der frühkindlichen Mutter-Kind-Verbindung ähnelt, nicht der Erwachsenenebene. Es geht dabei z.B. um Forderungen nach ständigem (oberflächlichen) Kontakt, äußere Garantien, Verbindlichkeit, usw. Als bedrohlich wird die Unabhängigkeit und Unklarheit des anderen erlebt. Diese setzt der Verschmelzungstyp unbewusst mit Trennung gleich. Der (unbewusste) Verschmelzungstyp kann nicht verstehen, dass Freiheit und Unabhängigkeit eines Partners nicht zwangsläufig bedeutet, dass er sich trennt oder dass Trennung droht! Damit projiziert er die frühkindliche Trennungserfahrung, die ja tatsächlich geschehen ist, in die Zukunft und versucht diese um jeden Preis zu verhindern (z.B. durch Forderungen EM häufiger und regelmäßig zu machen). Er merkt aber nicht, dass er eigentlich nur die damit verbundenen, unverarbeiteten Gefühle vermeiden möchte.
EM Bypassing für den Verschmelzungstyp endet, sobald er mit dem ständigen machen und tun im Kontakt aufhört und dem/den anderen Raum lässt, abwartet. Irgendwann muss er sein Tabu, nämlich die Angst vor Einsamkeit, Verlassenwerden und die damit verbundenen Gefühle von Wut und Hass mitteilen.
Autonomietyp: Das am tiefsten verdrängte Gefühl dieses Typs ist Trauer. Um zu verhindern, dass dieses Gefühl aufsteigt, muss jede Form von echtem Austausch oder gar Beziehung grundsätzlich verhindert werden. Autonomietypen interessieren sich normalerweise nicht für Ehrliches Mitteilen, meist werden sie durch ihre Partner/innen da mit „reingezogen“. Dieser Typus kennt wenig bis keine Möglichkeit, sich während eines Kontaktes oder in einer Beziehung zu distanzieren, um das Gefühl von Unabhängigkeit aufrecht zu erhalten, was er für seine innere Stabilität zu brauchen glaubt. Der (unbewusste) Autonomietyp kann nicht verstehen, dass die Kontaktaufnahme zu ihm auf Gefühlsebene nicht zwangsläufig bedeutet, dass seine Offenheit, Gefühle und Bedürfnisse missbraucht werden! Die Tendenz ist, wenn er denn mal beim EM mitmacht, das Ganze abzuwerten, eher mit Wut zu reagieren, zu kritisieren, herum zudiskutieren oder sich dem EM direkt oder indirekt zu entziehen, beispielsweise die Termine immer zu verschieben oder Ausreden zu nennen, warum ausgerechnet heute kein EM geht. All das macht er nur, um das Gefühl von Unabhängigkeit nicht zu gefährden und damit tief verdrängte Gefühle auszublenden.
EM Bypassing für den Autonomietyp hört auf, sobald er im Kontakt aktiv wird und Raum einnimmt. Irgendwann muss er sein Tabu, nämlich den Wunsch nach Nähe und Kontakt und die damit verbundene tiefe Trauer mitteilen.
Tendenziell findet man bei Frauen häufiger den Verschmelzungstyp und bei Männern eher den Autonomietyp.
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